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Eine Arbeiterin /
Leben, Alter und Sterben | Das große neue Buch des Autors von »Rückkehr nach Reims«

Autor: Didier Eribon

Übersetzt von: Sonja Finck
Deutsch
2024 - Suhrkamp Verlag

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€ 21,99

Inhalt

Kurztext / Annotation

»Das ist also das Leben meiner Mutter gewesen, dachte ich, das Leben und das Alter einer Arbeiterin. Noch wusste ich nicht, dass ich dieser Aufzählung bald ein drittes Wort würde hinzufügen müssen.«

Eigentlich hatte Didier Eribon sich vorgenommen, ab jetzt regelmäßig nach Fismes zu fahren. Doch seine Mutter stirbt wenige Wochen nach ihrem Umzug in ein Pflegeheim in dem kleinen Ort in der Champagne. Wie in Rückkehr nach Reims wird dieser Einschnitt zum Ausgangspunkt für eine Reise in die Vergangenheit. Eribon rekonstruiert die von Knappheit und Zwängen bestimmte Biografie einer Frau, die an einen brutalen Ehemann gekettet blieb und sich sogar in ihren Träumen bescheiden musste. »Meine Mutter«, hält er fest, »war ihr ganzes Leben lang unglücklich.«

Didier Eribons neues Buch ist hochpolitisch: Er legt schonungslos dar, wie sehr die Politik, aber auch die Philosophie, ja wir alle die skandalöse Situation vieler alter Menschen lange verdrängt haben. Zugleich erweist er sich erneut als großer Erzähler: Anhand suggestiver Episoden und berührender Erinnerungen zeigt er, wie wichtig Familie und Herkunft für unsere Identität sind. Er kauft ein Dialekt-Wörterbuch, um noch einmal die Stimme seiner Mutter im Ohr zu haben. So entfaltet der Soziologe das Porträt einer untergegangenen Welt: des Milieus der französischen Arbeiterklasse - mit ihren Sorgen, ihrer Solidarität, ihren Vorurteilen.



Didier Eribon, geboren 1953 in Reims, ist ein französischer Soziologe, Autor und Philosoph. Sein im Original 2009 erschienenes Buch Rückkehr nach Reims (st 5313) machte ihn 2016 auch im deutschsprachigen Raum berühmt. Der autofiktionale Essay wurde als literarisches Ereignis und als Schlüsseltext zum Aufstieg des Rechtspopulismus rezipiert.

Textauszug
1

Am Ende bin ich also nur zwei Mal in Fismes gewesen. Und dies zu einer Zeit, als ich noch dachte, dass dieser dreißig Kilometer nordwestlich von Reims gelegene Ort mit seinen paar tausend Einwohnern über Monate oder sogar Jahre hinweg einer der Bezugspunkte meines Lebens sein würde.

Damals nahm ich mir vor, irgendwann das Rathaus zu besichtigen, das 1912 errichtet, wenig später im Ersten Weltkrieg fast vollständig zerstört und in den zwanziger Jahren im selben Stil der Spätrenaissance wiederaufgebaut worden war. Ich würde hinter diesem merkwürdig imposanten Gebäude durch eine halb dörfliche, halb städtische Kulisse spazieren, würde den Markplatz mit seinen Geschäften und hohen Häusern überqueren, von denen manche stolz die gleichen Art-déco-Fassaden zur Schau stellten wie die Häuser im Zentrum von Reims, in derselben Epoche und unter denselben Umständen erbaut worden waren. Ich malte mir aus, wie ich den Zeitungsladen betrat, in dem man auch Bücher, Schreibwaren und Geschenkartikel kaufen konnte und in dessen Schaufenster in einem heillosen Durcheinander die jüngsten Bände der in der Bibliothèque de la Pléiade erschienenen Faulkner-Gesamtausgabe standen, ein Pappaufsteller von Gallimard, auf dem eine Neuerscheinung beworben wurde, sowie zahlreiche Selbsthilfebücher, Reise- und Restaurantführer, Landkarten und Unterhaltungsromane, die mit ihren grellen Covern den Blick auf sich zogen; wie ich dort vielleicht für meine Mutter eine Illustrierte oder die Regionalzeitung kaufen und mich dann während ihres Mittagsschlafs für ein, zwei Stunden in das Café gegenüber setzen würde, um darin zu blättern, bevor ich das Buch las, das ich dabeihatte. Ich stellte mir vor, wie ich den Straßen folgte, die recht bald und übergangslos zu Landstraßen wurden; wie ich zu Fuß zum Pont de Fismette ging, weil ich bei meinen Recherchen zur Ortsgeschichte und -geografie gelesen hatte, dass die Brücke 1918 bei schweren Kämpfen zwischen den deutschen Truppen und einem Bataillon der US-Streitkräfte zerstört worden war, Mann gegen Mann mit Bajonetten und sogar Flammenwerfern, mit erschreckend hohen Opferzahlen auf beiden Seiten. 1928 hatte der Bundesstaat Pennsylvania eine neue Brücke mit zwei großen Statuen auf Säulen gestiftet, als Denkmal - eines von vielen in der Region - für die Opfer dieses mörderischen Wahns. Unvorstellbar, dass dieser heute so ruhige, friedliche Ort, an dem an diesen beiden Sommernachmittagen eine nahezu vollkommene Stille herrschte, nur hin und wieder unterbrochen vom Motorengeräusch eines Autos, Lkws oder Traktors, ein Jahrhundert zuvor Schauplatz einer solchen Entfesselung von Lärm und Wut, Gewalt und Grauen gewesen war, über Jahre hinweg, bis zu den letzten Monaten, letzten Tagen, letzten Stunden eines Gemetzels, das der große Jean Jaurès vergeblich zu verhindern versucht hatte, bevor er seine Hellsichtigkeit und sein mutiges Engagement mit dem Leben bezahlte. Die Gedenkbrücke wurde ihrerseits beim deutschen Einmarsch 1940 zerstört und in den fünfziger Jahren identisch wiederaufgebaut. Ich musste mir dieses Monument, das auf Fotos gleichzeitig sehr schön und sehr traurig wirkt, unbedingt einmal ansehen. Ob historische Dokumente oder Bücher existierten, die einen Überblick über die Geschichte dieses großen Dorfs und der umliegenden Orte gaben? Beim nächsten Mal würde ich mich im Zeitungsladen danach erkundigen.

All diese Pläne blieben Träumereien. In gewisser Hinsicht ist Fismes für mich nur ein Name. Ein flüchtiger Ort in meinen Gedanken. Ich habe es bereits gesagt: Ich bin nur zwei Mal dort gewesen. An zwei aufeinanderfolgenden Tagen. Es war im August. Damals glaubte ich, ich würde von nun an regelmäßig hinfahren, um meine Mutter zu besuchen, nachdem meine Brüder und ich endlich einen Platz in einem Pflegeheim für sie gefunden hatten. Wir hielten es für die einzige Lösung. Wir sprachen bereits seit einer ganzen Weile davon. Anfangs war es um ei

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Buchdetails

Titel: Eine Arbeiterin
Untertitel:Leben, Alter und Sterben | Das große neue Buch des Autors von »Rückkehr nach Reims«
Untertitel:Übersetzt von: Sonja Finck
Autor:Didier Eribon
Verlag: Suhrkamp Verlag
Erscheinungsjahr:2024
Sprache:Deutsch
272 Seiten
ISBN-13: 978-3-518-77866-1

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